Die "wahren Baumeister" der Pyramiden von Gizeh
Prof. Dr. Martin R. Langer präsentiert die Fossilien im Weltwunder. Live sehen Sie die Versteinerungen in unserer Systematischen Sammlung.
Die
Pyramiden von Gizeh
Gigantisch liegen die Wahrzeichen Ägyptens vor
den Toren Kairos und sie sind von Einzellern "gebaut": Die Pyramiden
von Gizeh. Sie wurden zur Zeit der 4. Dynastie von den Königen Cheops, Chefren
und Mykerinos errichtet (2590 - 2470 v. Chr.) und sind das älteste und einzige
fast vollständig erhaltene der "sieben Weltwunder", und neben der
Chinesischen Mauer, das größte je von Menschenhand erschaffene Bauwerk. Allein
die Cheops-Pyramide mit einer Höhe von 146,6 Metern ist höher als ein
50-stöckiger Wolkenkratzer und nimmt eine Grundfläche von 53000 Quadratmetern,
oder neun Fußballfeldern, ein.
Fig. 1. Cheops-, Chefren- und Mykerinos-Pyramide (v. r. n. l). Im Vordergrund zwei kleinere Königinnenpyramiden.
Mehr als 6,5 Millionen Tonnen Kalkstein sind darin verarbeitet. Die Cheops-Pyramide ist damit 35 mal schwerer als der Kölner Dom. Neben den drei großen, der Cheops-, der Chefren- und der Mykerinos-Pyramide, befinden sich weitere sieben kleinere, sogenannte Königinnenpyramiden in direkter Nachbarschaft. In bautechnischer und arbeitsorganisatorischer Hinsicht wirft der Bau der Pyramiden bis heute aber viele Fragen auf.
Das Baumaterial
Mehr als 7 Millionen Kalksteinblöcke mit einem durchschnittlichen Gewicht von 2,5 Tonnen sind in den drei grossen Pyramiden verbaut. Dazu kommen die leuchtend weißen Kalksteinplatten, mit denen die Pyramiden ursprünglich verkleidet waren. Diese weiße Verkleidung wurde im Mittelalter als Steinbruch benutzt und für den Häuserbau in Kairo verwendet. Lediglich an der Spitze der Chefren-Pyramide finden sich Reste dieser Verkleidung. Im Inneren wurden die Grabkammern der ägyptischen Pharaonen mit rotem Granit verkleidet und mit bis zu 60 Tonnen schweren Granitblöcken beschwert.
Die Kalksteinblöcke, die den Kern und damit die Masse der Bausteine bilden, stammen zumeist aus der unmittelbaren Umgebung der Pyramiden. Es handelt sich dabei um fossilreiche kalkige Sedimente, die sich zur Zeit des Eozäns (Lutet) vor ca. 45 Millionen Jahren im Meer der Tethys abgelagert haben. In diese Sedimentschichten hat sich später der nahegelegene Nil tief eingegraben und die Kalksteinbänke dieser Meeresablagerungen freigelegt. Genau hier haben die Baumeister der Pharaonen ihre Steinbrüche für die Pyramiden angelegt.
Fig. 2: Die versteinerten Gehäuse von Nummulites gizehensis finden sich besonders häufig in den Pyramidengesteinen und wurden erstmals 1775 von Forskål wissenschaftlich bearbeitet. Diese Einzeller gehören zur Gruppe der Foraminiferen und können eine Größe von bis zu 10 cm erreichen.
Die Steinbrüche
Fossil- und Gesteinsanalysen
belegen zweifelsfrei, dass die weißen, kalkigen Verkleidungsplatten der drei
großen Pyramiden von Tura aus einem Steinbruchfeld unmittelbar gegenüber den
Pyramiden am östlichen Nilufer stammen (Mokattam-Schichten, Lutet/Eozän). Die
Kalksteine, die die Kernmasse der drei großen Pyramiden bilden, sind nur wenige
hundert Meter südlich des Pyramidenfeldes gebrochen worden. Weitere Kalkblöcke
für den Bau der Chefren-Pyramide sind aus dem Steinbruchgebiet bei Maasara
abgebaut und über den Nil nach Gizeh transportiert worden (ca. 15 km). Hier
sind mehrere große Galeriesteinbrüche, die 100 Meter und mehr in den Berg
führen, angelegt worden.
Fig. 3. Kalksteinblöcke der Cheops-Pyramide von Gizeh.
Stratigraphisch werden die Kalke von Tura und
Maasara der "Observatory-Formation", die vom Pyramidenfeld aber der
"Kairo-Formation" zugeordnet. Beide Formationen gehören zur
Mokattam-Gruppe und haben ein Alter von ca. 43-48 Millionen Jahren
(Lutet/Eozän). Weitere sandige Kalksteine für den Kern der Gizeh- und
Chefren-Pyramide wurden aus dem Steinbruch von Hitan el-Hurab herbeigeschafft.
Diese gehören der Kom el-Shelul Formation an und sind ca. 2,5 Millionen Jahre
alt (Pliozän). Ober- Oligozäne Basalte von Abu Roash (nahe Gizeh) wurden
schließlich als Bodenpflaster im Pyramidengebiet verbaut. Die Granite der Grabhöhlen
haben den längsten Transportweg hinter sich und wurden ca. 600 km südlich bei
Aswan abgebaut.
Fig. 4. Steinbruchanlage auf dem Pyramidenplateau von Gizeh. Im Hintergrund die Chefren- Pyramide. In die ehemaligen Steinbruchwände sind später Grabkammern eingebracht worden (verändert nach Klemm und Klemm, 1993).
Fossile Einzeller:
Die wahren "Baumeister" der Pyramiden.
Bei genauer Betrachtung der kalkigen Pyramidengesteine zeigt sich, dass darin massenhaft linsen- und münzenförmige Fossilien auftreten. Es handelt sich dabei um die versteinerten Gehäuseschalen von Einzellern, so genannte Foraminiferen, die eine Größe von bis zu 10 cm erreichen können. Diese Foraminiferen waren die häufigsten Bewohner der eozänen Flachmeere, aus denen sich große Teile der Sedimentgesteine des Mokattamgebirges bei Gizeh aufbauen. Aufgrund ihrer münzenförmigen Gestalt und ihrer massenhaften Vorkommen wurden sie seit altersher Nummuliten (= Münzensteine) genannt. Es wird heute geschätzt, dass die massenhaft versteinerten Gehäuse dieser Foraminiferen 60 Prozent und mehr der einzelnen Pyramidengesteine von Gizeh ausmachen. Die einzelligen Foraminiferen sind damit die "wahren Baumeister" der Pyramiden.
Fig. 5 a, b. Nummulitenkalk des Eozäns von Gizeh (Mokattamstufe) und Dünnschliffzeichnung der Mikro- und Makrosphäre von Nummulites gizehensis (nach Schaub 1981).
"Fossile Linsensuppe"
Die älteste Beschreibung der fossilen Foraminiferen von Gizeh ist fast 2500 Jahre alt und stammt vom griechischen Geschichtsschreiber Herodot, der Ägypten im 5. Jahrhundert v.Chr. bereiste. Herodot und andere (Strabo, Plinius der Ältere) waren jedoch davon überzeugt, dass es sich bei den versteinerten Linsen und Münzen nicht um Fossilien, sondern um Hülsenfrüchte (Linsen), also die Nahrungsreste der Pyramidenarbeiter handelt.
Weiterführende Literatur
Aigner, T., 1982. Zur Geologie und Geoarchäologie des Pyramidenplateaus von Giza, Ägypten. Natur und Museum, vol. 112(12): 377-388.
Cuvillier, J.M., 1930. Révision du Nummulitique Égyptien. Mémoires présentés a L'Institut D'Égypte et publiés sous les auspices de sa Majesté FOUAD Ier, Roi Égypte, Tome Seizième. Le Caire Imprimerie E. & Schindler, R., 371 pp.
Klemm, R. und Klemm, D.D., 1993. Steine und Steinbrüche im Alten Ägypten. Springer Verlag, 465 pp.
Klitzsch, E., List, F.K. und Pöhlmann, G., 1986-87. Geological Map of Egypt (1:500,000). Conoca Coral and Egyptian General petroleum Corporation (Cairo).
Langer, M.R., Silk, M.T., and Lipps, J.H., 1997. Global ocean carbonate and carbon dioxide production: The role of reef foraminifera. Journal of Foraminiferal Research, 27: 271- 277.
Langer, M.R., and Hottinger, L., 2000. Biogeography of selected larger foraminifera. In: Lee, J. J. (Ed.). Biology of Foraminifera. Micropaleontology Press, New York, vol. 46, Suppl. 1: 105-126.
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Said, R. (ed.), 1990. The Geology of Egypt. Balkema, A.A., Rotterdam, 734 pp.