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Madygen – Millionen von Jahren vor der Seidenstraße

Paläontologie-Studierende der Uni Bonn reisen nach Kirgistan

Vom 15. bis 28. August reisten drei Studierenden der Uni Bonn nach Kirgistan zu einem Sommer-Projekt, gefördert durch die UNESCO und die Internationale Subkomission für Trias-Strtigraphie. Dort trafen sie auf eine einzigartige Geologie und reisten quer durchs Land auf dem Weg zur Fossillagerstätte und potenziellem UNESCO-Weltnaturerbe „Madygen“. Die zukünftigen Paläontologen fanden neben Muscheln und bezaubernden Mineralen, Ammoniten und einige der am besten erhaltenen Insektenfossilien der Welt.
Besonders anregend war dabei auch die internationale Zusammenarbeit und das Erkunden der kirgisischen Kultur: Zwischen Herden hunderter Schafe, Ziegen und Kühen und 3000 Meter hohen Bergen, fuhr die Gruppe, bestehend aus Forschenden und Studierenden, zwei Wochen ein Stück entlang der Seidenstraße.

Der Geopark in Madygen – eine der wertvollsten Lagerstätten für Fossilien, bekannt für seine einmaligen Erhaltungszustände. Durch seine geographische Lage und geologische Geschichte, sind in Magyden alle Erdzeitalter lückenlos erhalten. „In Madygen ist es möglich, die gesamte Erdgeschichte vom Kambrium bis heute in einem einzigen Tag entlang zu spazieren“, sagt der Hydrogeologe und Leiter der Expedition Dr. Aleksej Dudaschwili.

Doktorand Yaroslav Trubin (links) und Bachelor-Studenten Alina
Winkler (mitte) und David Donner De Sousa (rechts) in Madygen.
(Foto: Ilja Kogan)

Die Madygen-Formation ist eine 560 Meter dicke Gesteinsabfolge und stellt Ablagerungen der mittleren bis späten Trias dar. Benannt wurde sie nach dem nächstgelegenen Dorf. Hier lassen sich hauptsächlich an Land gebildete Schichten mit Seeablagerungen finden. Es sind also sowohl Landwirbeltiere und Land-Gliederfüßer als auch Seepflanzen, Fische und Krebse in den Schichten erhalten.

Im Jahr 1933 wurde sie von dem russischen Forscher Ewgenij A. Konchew entdeckt und wenig später beschrieben. Einige Paläontologen und Geologen beschäftigten sich mit der Formation und beschrieben nach der Publikation über die Lagerstätte dutzende neue Arten. Erst zehn Jahre später wurde Madgyen zum ersten Mal kartiert und in den 70er Jahren wurden die berühmten, ausgestorben reptilien Longisquama und Sharovipteryx beschrieben. Dennoch diskutierten Paläontologen bis in die Neunzigerjahre, welches Alter
die Lagerstätte genau hat. Nach dem Ende der Sowjetunion wurde die Forschung so gut wie fallen gelassen. Heute wird sie wieder aufgenommen und seit 2005 hat die Gruppe bereits um die 30 Publikationen veröffentlicht.

 

 

 

 

 

Ein Blick in den Geopark Madgyen: die Schichten der Trias sind typischerweise gelb und grau, die der Kreide rot. (Foto:Ilja Kogan)

 

 

Die zwei Bachelor-Studierenden der Geowissenschaften an der Universität Bonn, Alina Winkler und David Donner De Sousa, und der Doktorand Yaroslav Trubin (auf dem Bild oben zu sehen) entschieden sich nach Zentral-Asien zu reisen, um sich ein Bild von der Geologie und den Fossilien vor Ort zu machen. Weitere Master-Studierenden und Doktoranden aus Russland, Kasachstan, Kirgistan und Usbekistan, so wie Forscher aus Europa und Australien trafen sich am Morgen des 15.08.2022 in der Hauptstadt Kirgistans, Bischkek, die im Norden des Landes an der Grenze zu Kasachstan liegt. Gefördert wurde das Projekt von der UNESCO
und der Subkomission der Trias-Stratigraphie, geleitet von dem kirgisischen Hydrogeologen Dr. Aleksej Dudaschwili und dem Paläontologen Dr. Ilja Kogan von der TU Freiberg.


Von Bischkek ging es dann mit einem Kleinbus Richtung Südwesten des Landes. Eine Woche fuhr das Team bis Osch, die zweitgrößte Stadt Kirgistans. Auf dem Weg gab es natürlich mehrere Halte, so zum Beispiel in Mailuu-Suu. „Mailuu-Suu“ bedeutet so viel wie „öliger Fluss“, weil es dort häufig zu dem Austreten von Erdöl kam. Dieses wurde seit Anfang des 20. Jahrhunderts gefördert. Doch vor allem für sein Vorkommen an radioaktiven Stoffen wurde die Stadt bekannt. 1946 begann die Sowjetunion hier als erstes mit dem Abbau von Uran für ihr Nuklearprogramm. Für den höchst gefährlichen und ausbeuterischen Abbau in den Minen wurden Wolga-Deutsche, Krimtataren und Moldawier deportiert. Und auch heute leben die Einwohner immer noch in der Nähe nicht verschlossener Minen. Einzig und allein Schilder mit dem Hinweis „Radioaktivität“ sollen auf ein Umkehren hinweisen.
 

Von Osch aus ging es dann acht Stunden mit dem Bus nach Madygen, in ein romantisches Lager mit Zelten und Feuerstellen, auf dem Grundstück einer Bauernfamilie in mitten einer Oase in der Wüste. Der Bus kam auf dem Schotter ohne eine Straßeninfrastruktur nur spärlich voran.
 

In der Nähe von Mailuu-Suu hat das Team dann in Kreide-Schichten Dinosaurierfußspuren entdeckt. Diese wurden vermessen, aufgenommen und fotografiert, damit später ein Computermodell zur weiteren Auswertung erstellt werden kann. Bei dem zweibeinigen Fährtenmacher handel es sich eindeutig um einen Theropoden oder Raubsaurier. Die Fußspuren zeigen drei Zehen, eine 30 x 17 Zentimeter große Sohle und einer Schrittweite von ca. 60 Zentimetern. Zur Zeit verfasst der Paläontologe Joe F. Sutherland aus Bristol eine wissenschaftliche Arbeit über diese Dinosaurierfährte.
 

Vor allem die Schichten der Trias konnten die Bachelor-Studierenden Alina Winkler und David Donner De Sousa gemeinsam mit Paläontologe Dr. Ilja Kogan genauer unter die Lupe nehmen. Nach einem Tag Wanderung fanden die drei die Grabungsstelle vom vergangenen Jahr wieder und gruben dort weiter, wo aufgehört wurde. „Hier haben wir das erste dreidimensional erhaltene Holzstück der Madygen-Formation gefunden“, freut sichDr. Ilja Kogan, der auch im vergangenen Jahr hier war. „Aus dieser Formation sind auch Insekten wunderbar erhalten“, erklärt er weiterhin, „Wir konnten hier vor allem Körperabdrücke und Deckflügel von
Käfern finden. Diese gibt es hier sogar mit Erhalt der Muster.“

 

Dieser Fund eines Insektenflügels mit Erhalt der Musterung liegt nun mit weiteren zur Untersuchung in der Uni Freiberg.
(Foto: Ilja Kogan)


Abdruck eines Insektenabdomens mit Segmentierung
(Foto:Ilja Kogan)

Dreidimensional erhaltenes Holzstück aus Madygen.
(Foto: Ilja Kogan)

 

Der Doktorand Yaroslav Trubin beschäftigt sich als angehender Mikropaläontologe vor allem mit mikroskoisch kleinen Fossilien. Als Betreuer einer Gruppe von Bachelor-Studierenden seiner Heimatuniversität in Tjumen befasste er sich bei dem Besuch in Madygen allerdings vorwiegend mit Muscheln aus dem Paläogen (66-25 Millionen Jahre vor heute). Teilweise liegen sie in riesigen Haufen an Hängen von aufgefalteten Schichten und sind relativ leicht zu erreichen, auch wenn dafür bis zu 2000 Höhenmeter erklommen werden
müssen. „Viele dieser Muscheln haben tiefe Löcher, die in sie hineingefressen wurden. Diese stammen meist von Mikroorganismen oder anderen Kleintieren, die ich untersuchen möchte. Außerdem gibt es sehr viele Ichnofossilien hier, also Lebensspuren von Tieren im oder auf dem Boden. Das sagt viel über damalige Lebens- und Umweltbedingungen aus.“ erklärt Trubin und untersucht nun einige Proben im Institut der Uni Bonn.


„Wissenschaft – und gerade die Geologie – ist kosmopolitisch, sie kennt keine Grenzen,“ sagt Alina Winkler, „Hier in Madygen konnten wir nicht nur die Geologie entdecken, wir konnten auch wunderbar mit gleichgesinnten Kollegen aus aller Welt zusammen arbeiten. In Zeiten des Krieges ist es uns ein besonderes Anliegen, dass nicht wieder die Wissenschaft und die internationale Zusammenarbeit Schaden nimmt. Wir wollten auch ein Zeichen setzten, dass Politik nicht die Forschung bestimmen oder zerstören kann. Ich bin sehr froh darum, so tolle Menschen aus allerlei Ländern getroffen zu haben.
 

„Nächstes Jahr, wenn alles klappt,“ erzählt David Donner De Sousa, „treffen wir uns alle noch mal in Usbekistan. Die Studierenden aus Usbekistan begeisterten sich vor allem für Minerale und planen eine Expedition zu organisieren. Mich freut es besonders hier gewesen zu sein, weil ich der Überzeugung bin, dass es mich in meinem weiteren Werdegang als angehender Paläontologe viel gelehrt hat und weiterbringen wird.“

Das Sommer-Projekt findet jedes Jahr statt. Interessenten können sich hier informieren:
https://geotianshan.org/en/expeditions/3000-2/

 

von Alina Winkler

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